Teichgut Oerreler Heide: Die ersten Schritte zum Erhalt eines FFH-Gebiets
Nach 8 Jahren Bewirtschaftungsaufgabe war das 120 Hektar große FFH-Gebiet Teichgut Oerreler Heide akut gefährdet. Die ehemaligen Karpfenteiche verbuschten massiv, Bäume eroberten die Flächen, und die hochgradig seltenen Strandlingsgesellschaften drohten zu verschwinden. Im Februar 2025 starteten wir mit den ersten Renaturierungsmaßnahmen – ein logistisch anspruchsvolles Unterfangen auf dem weichen Teichboden.
Spezialgerät für besondere Herausforderungen
Die größte Herausforderung: Der Teichboden ist an vielen Stellen bis zu 10 Meter tief und weich wie Pudding. Ein normaler Schlepper würde hier komplett versinken. Deshalb setzten wir eine Moorraupe ein. Das ist ein Spezialfahrzeug, das dank seiner breiten Ketten auf dem weichen Untergrund fahren kann, ohne einzusinken.
Mit dieser Moorraupe und einem Bagger machten wir uns im Februar an die ersten Arbeiten.

Nährstoffentzug durch Bewuchsentfernung
Die Moorraupe entfernte systematisch das gesamte Schilf und Gras aus den Teichen und transportierte es ab. Das klingt simpel, ist aber entscheidend: Mit jedem Halm werden Nährstoffe aus dem System entfernt. Denn die Strandlingsgesellschaften, die extrem seltenen Wasserpflanzen, für die dieses Gebiet so wertvoll ist, brauchen nährstoffarme Bedingungen. Nur auf kargem Sandboden können sie sich gegen konkurrenzkräftigere Pflanzen durchsetzen.
Humusabtrag: Zurück zum Sandboden
An vielen Stellen hatte sich über die Jahre so viel Humus angesammelt, dass wir ihn mit einer großen Raupe abschieben mussten, um wieder den Sandboden freizulegen. Dieser Schritt ist der Schlüssel zum Erfolg: Im Sand liegen die Samenbänke der Strandlingsgesellschaften – teilweise 10 bis 20 Jahre alt.
Sobald der Sand wieder freigelegt ist und Wasser, Sonne und Luft zusammenkommen, können selbst zwei Jahrzehnte alte Samen wieder auskeimen. Die Natur hat hier quasi ein Backup angelegt – wir müssen nur die richtigen Bedingungen wiederherstellen.
Entbuschung: Bäume raus aus den Teichen
In 8 Jahren ohne Bewirtschaftung hatten sich überall Bäume angesiedelt, einige bereits 4 bis 5 cm im Durchmesser. Mit einem Bagger und einer großen Kneifzange entfernten wir alle Bäume aus den Teichen. Was drastisch klingt, ist notwendig: Bäume in den Teichen würden langfristig zu viel Schatten werfen und über ihr Laub wieder Nährstoffe eintragen.

Präzises Wassermanagement: Neue Betonmönche
Ein Herzstück der Renaturierung ist die Wasserstandssteuerung. Die alten Wasserbauwerke – traditionell aus Eichenholz gebaut und "Mönche" genannt – waren nach Jahrzehnten marode. Wir ersetzten sie durch moderne Betonmönche: vertikale Betonrohre mit Holzklappen, mit denen wir den Wasserstand in jedem einzelnen Teich millimetergenau regulieren können.
Das ist entscheidend, denn die Strandlingsgesellschaften brauchen den Wechsel zwischen Feucht- und Trockenperioden. Im Winter werden die meisten Teiche abgelassen, der Boden friert durch – genau wie früher bei der Karpfenzucht, die zufällig perfekte Bedingungen für diese Pflanzen geschaffen hatte.
Parallel: Entzugsanbau auf den Ackerflächen
Während in den Teichen die Arbeiten laufen, passiert auf den ehemaligen Ackerflächen etwas scheinbar Unspektakuläres: Seit Herbst 2025 wächst dort Roggen. Aber dieser Roggen wird weder gedüngt noch gespritzt – im Gegenteil. Er soll dem Boden Nährstoffe entziehen, vor allem Stickstoff und Phosphor.
Gleichzeitig regeneriert sich die Bodenmikrobiologie. Besonders wichtig: die Mykorrhiza-Pilze, ohne die die Gemeine Heide nicht überleben kann. Diese Pilze gehen mit den Heidewurzeln eine Symbiose ein und helfen ihr, Nährstoffe aufzunehmen. Nach Jahren intensiver Landwirtschaft müssen sich diese Pilze erst wieder ansiedeln.
In 1-2 Jahren werden wir dann die Heide auf diesen Flächen wiederansiedeln – mit Schnittgut aus einem nahegelegenen Naturschutzgebiet. So kehrt eine Landschaft zurück, die diese Region vor 100 Jahren geprägt hat.
Was als Nächstes kommt
Die ersten Schritte sind gemacht. In den kommenden Monaten folgen weitere Maßnahmen: Waldumbau, die Entwicklung von Feuchtgrünland, der Aufbau strukturreicher Waldränder und die Fließgewässerrenaturierung des Schwarzwassers, das derzeit künstlich durch die Anlage fließt. Durch die Wiederherstellung des natürlichen Bachverlaufs wird die ökologische Durchgängigkeit wiederhergestellt – ein wichtiger Schritt für wandernde Fischarten und die Vernetzung der Lebensräume.
Das Teichgut Oerreler Heide wird so zu einem 120 Hektar großen Mosaik aus naturnahen Teichen mit kristallklarem Wasser, Heidelandschaft, Feuchtwiesen, Auwäldern und naturnahen Wäldern – Lebensraum für etwa 25 geschützte Arten, darunter Teichfledermaus, Schwarzstorch, Kranich, Fischotter, Kreuzotter und der seltene Schlammpeitzger.





